dichotomy We're all in the gutter, but some of us are looking at the stars. (Oscar Wilde)

11. Juli 2005

Sach ma, gayts noch? (har har)

Filed under: Queerschläger — Schlagwörter: , , , , — Feylamia @ 21:36

Ich sitze gerade im Zug am Laptop und mir ist langweilig, deswegen schreibe ich jetzt einige Dinge nieder, die ich der Welt schon immer mal sagen wollte.

Gerade war ich bei einer Freundin zu Besuch, das war sehr nett. Nicht nur, weil ich besagte Freundin sehr sehr gerne mag, sondern weil wir zu dritt und alle homosexuell waren. In einer idealen Welt (hui, englisch gedacht, deutsch geschrieben!) wäre das egal, in dem Deutschland in dem ich lebe (und ihr vermutlich auch) allerdings ist es das nicht. Bei den meisten anderen Leuten kommt früher oder später die Rechtfertigungsphase, denn, egal wie offen und tolerant Heterosexuelle sind, irgendwann beschweren sie sich, man würde seine Sexualität zu sehr nach aussen tragen. „Ich erzähle ja auch nicht ständig, mit wem ich ins Bett gehe!“ „Mir ist völlig egal, ob jemand auf Analsex, auf SM oder auf sein eigenes Geschlecht steht!“ sind nur zwei der vielen Kommentare, die ich schon bekommen habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, ständig jemandem erzählt zu haben, wie der Sex mit T. ist.
Folglich komme ich zu dem Schluss, dass für viele Heterosexuelle Homosexualität nach wie vor keine „gleichwertige“ Form der Liebe ist, sondern schlichtweg auf den sexuellen Akt reduziert wird. Wieso ist das so? Bei Heten wie bei Homos gibt’s die gleichen sexuellen Vorlieben… der eine lebt sie halt mit dem anderen Geschlecht aus und der nächste mit dem eigenen.
Ähnlich sieht’s mit dem „Hihi, ein Schwuler – schnell den Arsch an die Wand“ und „Pass auf, die is‘ lesbisch!“ aus. Gibt’s irgendeinen Ratgeber in dem heterosexuelle Jugendliche erklärt bekommen, dass „Homosexueller“ nur ein anderes Wort für „omnisexueller Nymphomane“ ist? Ja, ich verliebe mich in Frauen. Nein, nicht in jede. Dafür würde meine Zeit gar nicht ausreichen, ausserdem bin ich mit meiner einen mehr als bedient. 😉
Und wo ich gerade dabei bin… JA, ein Outing ist nötig und keineswegs überflüssig. Wie oft habe ich schon gehört, dass wir uns durch unser Outing eher abgrenzen würden und wir, wenn wir nicht über unsere Sexualität reden würden, viel eher akzeptiert werden. Ich denke, vielen Menschen ist nicht bewusst, wie sehr homosexuelle Teenies auch heute noch leiden. Nicht nur, dass „schwul“ mittlerweile ein Synonym für scheisse ist, nein, auch die neue deutsche Rapwelle versichert uns jeden Tag aufs neue, dass Schwuchteln das allerletzte sind und Lesben dagegen nur fickgeile Luder, die nur mal ’nen richtigen Schwanz brauchen. (Auch ein Spruch, den ich so schon zu hören bekommen habe.) Liebe Kinder, das stimmt so nicht. Guckt weniger Pornos und mehr vernünftige Filme!
Die Welt in der ich aufgewachsen bin ist heterosexuell geprägt. Und zwar ohne Ende. Einziges mögliches Vorbild das ich hatte war Hella von Sinnen… naja, und später dann Martina Navratilova (sp?). Beide nicht unbedingt erstrebenswert… wobei ich anscheinend dem Fräulein von Sinnen ähnlicher geworden bin, als mir und meinem Umfeld lieb ist. Vielleicht sind wir aber auch beide nur zufällig lesbisch, dick und lustig und das reicht schon, um sich irgendwie ähnlich zu sein.

Ich kann mich daran erinnern, dass ich früher dachte, ich müsse wohl ein Junge sein, weil ich in Anzug und Krawatte (von Papi gemopst) die Puppe meiner Mama heiratete. Und sowas tun ja wohl nur Jungs. Ich konnte auch eher Krawatten binden als mich schminken. (Und bin immer noch besser darin…) Kurzum: Ich war ein richtiger kleiner Tomboy. Geschnallt, dass ich lesbisch bin, habe ich letztendlich erst zu der Zeit als ich Abi machte. Vorher habe ich mich in Frauen verliebt aber als bi bezeichnet, weil… ja, warum eigentlich? Weil man einfach nicht lesbisch ist, basta. Das gehört sich halt irgendwie nicht, die Nachbarn könnten’s ja erfahren. Und dann denken die womöglich, meine Eltern hätten was falsch gemacht, dabei haben sie alles, alles richtig gemacht. Ohne meine Mutter hätte ich das nicht so schnell gepackt, dass ich eben anders und trotzdem okay bin. Madame erzählte mir auch später, sie hätte es schon gewusst, seit ich dreizehn bin… hätte sie’s mir bloss gesagt, sie hätte mir viel Elend erspart. 😉

Ich kann mich daran erinnern, wie meine Biolehrerin mir mal scherzhaft sagte: „Carolin, wenn Du immer diesen schwarzen Nagellack trägst kriegst Du nie ’nen Jungen ab, das strahlt Tod und Verwesung aus. Probier’s doch mal mit Rot!“. Ich habe bis heute keinen roten Nagellack.
Egal, was ich eigentlich sagen wollte: So lange wie als default-Wert Heterosexualität angenommen wird, so lange müssen wir uns outen. Um uns zu ersparen, bei Familienfesten gefragt zu werden, ob wir denn ’nen Freund haben, während wir eigentlich nur in die Welt schreien wollen, dass wir ’ne Freundin haben und die Frau die tollste Frau der Welt ist.

Wer meint, ein Outing sei überflüssig, der sollte sich die Mühe machen, mal einen Tag in die Welt zu gehen, Homosexualität als Default-Wert anzunehmen und sich die Reaktionen angucken. Zählt einfach mal, wie oft ihr am Tag mit Heterosexualität konfrontiert werdet und wie oft mit Homosexualität. Ihr werdet überrascht sein.

*runter von der seifenkiste (oooh schon wieder englisch gedacht) und ab ins bett*

4 Comments »

  1. Gut bebrüllt, Löwe! 🙂

    Kommentar by wunderpott — 13. Juli 2005 @ 17:25

  2. Aber viel zu lang, hab ich mir sagen lassen *g*

    Kommentar by Carolin — 13. Juli 2005 @ 17:47

  3. Überhaupt nicht zu lang. Und gut geschrieben. Sonst hätte ich es nicht zu Ende gelesen. *gg*
    Kennst Du diesen Comic?:
    http://projectkooky.com/erika/comics/girls/01.htm

    (Die anderen Comics sind auch zu empfehlen!)

    Kommentar by mannelossi — 28. August 2005 @ 14:15

  4. Der ist süss, danke für den Link! 🙂

    Kommentar by Carolin — 28. August 2005 @ 16:26

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