dichotomy We're all in the gutter, but some of us are looking at the stars. (Oscar Wilde)

30. Juli 2010

Danke, Anke. Oder: Männer, Maßregelungen und Motzereien.

Rants of a Female Nerd lese ich ja sehr gerne, da gibt’s immer wieder interessante Links und feine Videos und überhaupt schön geschriebene Dinge. Heute stolperte ich über Danke, Anke, in dem die Dame auf einen Blogeintrag von Anke Gröner verweist, in dem selbige einen „Flirtversuch“ seitens eines Postzustellers beschreibt. Dieser duzte sie an der Haustür und eröffnete ihr, dass er ein „Geschenk“ für sie habe, dass er ihr erst übergab, nachdem sie „bitte“ sagte und der weiterhin fragte, ob sie verheiratet wäre. Im Nachhinein fühlte sich die Situation für sie wie ein sexueller Übergriff und eine Machtdemonstration an. So weit so gut bzw. schlecht. Im Law Blog, wo auf den Eintrag verlinkt wurde, ließen dann natürlich die Kommentare nicht lange auf sich warten: Die meist männlichen Kommentatoren waren dann doch im Großen und Ganzen der Meinung, dass die Gute sich mal nicht so anstellen soll und dass sie sich doch freuen soll, dass sie angebaggert wird.
Die Tatsache, dass sie eine Frau ist, berechtigt den Postmenschen also irgendwie direkt dazu, sich unangemessen zu verhalten. Die Kommentare sind also sozusagen ein wenig die web-2.0-Version von „Wer sich so anzieht, braucht sich nicht zu wundern“ und „she had it coming“. Ich betone es: Damit bin ich nicht einverstanden. Ein Dienstleister hat primär erst einmal seine Arbeit zu tun. Dabei darf er gerne auch flirten, keine Frage. Aber in dem Moment, wo die bezahlte (!) Dienstleistung erst erbracht wird, wenn sein Gegenüber auf die Flirtversuche eingeht, in dem Moment findet in der Tat ein Übergriff statt. Das geht einfach nicht. Punkt.
Ich bin mir relativ sicher, dass ein „Du bekommst Dein Paket erst, wenn ich Dir an die Brust fassen durfte“ bei den Kommentatoren nicht auf so viel Verständnis gestossen wäre. Aber im Prinzip fühlt sich beides für die Frau gleich an – sie wird zu einer physischen oder verbalen Aktion gezwungen, die sie nicht möchte. Da muss man nicht rumdiskutieren. Klar, ein wirklicher sexueller Übergriff ist das Herausgeben des Pakets erst nach Betteln nicht, das behauptet Anke auch an keiner Stelle. Aber die gleiche Art von Machtspielchen, die auch Vergewaltiger spielen, ist es durchaus. Verbale Übergriffe schmerzen genau so wie körperliche und richten genau so viel Schaden an. Das kann man auch einfach zur Kenntnis nehmen, ohne sich gleich das Maul zu zerreißen, finde ich.

Und (weil man sich im Law Blog auch ein wenig über den Begriff „feministische Konditionierung“ beschwerte): Man muss keine Feministin sein, um es scheiße zu finden, wenn Frauen von Männern zu etwas gezwungen werden, das sie nicht wollen. Das ist nicht feministisch, das ist menschlich. Und andersrum wäre es genau so scheiße.

Ich wüsste gerne, wie die besagten Kommentatoren reagieren würden, wenn ihnen der schwule Autoverkäufer erst die Schlüssen zu ihrem soeben gekauften fahrbaren Untersatz geben würde, nachdem sie „bitte“ gesagt haben und er sie fragen würde, ob sie denn schon verpartnert wären. Wäre das dann immer noch so lächerlich? In so eine Situation gezwungen zu werden macht doch nie Spaß …

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